Hockey Nachrichten

Hockey an der Schule

Stiftsgymnasium Sindelfingen und sein Schulsportmodell

 

Das grundsätzliche Ziel des Schulsports liegt darin, die Kinder und Jugendlichen zur Bewegung anzuhalten. Der Nutzen von sportlicher Betätigung für die körperliche und geistige Entwicklung ist hinreichend bekannt.

Eine weitere, eine zusätzliche Aufgabe, welche ebenfalls durch die Schulen und den Schulsport erfüllt werden soll, erwächst aus einem kulturellen Anliegen und besteht in der Förderung und Unterstützung des Leistungssports. Der deutsche Spitzensport hinkt den hohen Erwartungen hinterher. Die meisten Sportarten stehen international schlecht da: „Sollten angesichts der angespannten Haushaltslage unsere Politiker und Sportfunktionäre weiterhin bei eingeschränkten Mitteln um einen Spitzenplatz im Weltsport buhlen, dann kann als Adresse der Zirkus Sarani empfohlen werden. Dort werden noch Zauberer gesucht.“ Mit dieser fatalistischen Aussage äußerte sich Dr. Klaus Rudolph vom Olympiastützpunkt Hamburg zur Entwicklung des Deutschen Sports im internationalen Vergleich.

Paul Schmidt, ehemaliger Bundestrainer in der Leichtathletik fordert, um aus dieser Misere heraus zu kommen, einen Masterplan: Deutschlands Talente müssen frühzeitig gefördert werden.

Eliteschulen des Sports gelten hierzu als potenter Lösungsansatz. Schulen, in welchen Trainingsmöglichkeiten gegeben werden, in denen der verpasste Unterricht in Kleingruppen nachgeholt wird und in denen die Sportler nur kurze Wege zum Training haben.

Das Stiftsgymnasium Sindelfingen ist eine Partnerschule des Olympiastützpunkts Stuttgart. In drei Sportarten arbeitet das Stift, wie es gemeinhin liebevoll genannt wird, an vorderster Front: Im Hockey, im Judo und in der Leichtathletik. Und das auf ganz unterschiedliche Art und Weise.

Im Hockey gibt es bereits seit über 30 Jahren jeden Freitag Mittag eine AG, an welcher mehr als 40 Mädchen und Jungen regelmäßig teilnehmen. Ein Trainertrio bestehend aus Frank Sieber, Sportlehrer am Stiftsgymnasium, Christian Kranz, Regionalligaspieler aus der SV Böblingen und dem Koordinator Götz Stumpf gewährleistet ein hockeyfachlich attraktives Training und eine pädagogisch anspruchsvolle Betreuung.

Um die Mädels und Jungs aneinander zu binden, werden neben den Wettkämpfen, vor allem bei „Jugend trainiert für Olympia“, auch Trainingscamps und Ausfahrten organisiert. Jüngst erst ging es nach Nürnberg und Erlangen, im Vorjahr an den Bodensee nach Salem und zur EM in Leipzig sowie jetzt gerade zur WM in Mönchengladbach.

Gelohnt hat sich dieser Einsatz bisher. Denn Nachwuchsprobleme kennen die Hockeytrainer des Stiftsgymnasiums nicht. Über 40 Mädchen und Jungen nehmen teil, so dass bei fast allen Turnieren sie gleich mit mehreren Mannschaften am Start sind. Auch qualitativ hat sich die Arbeit bereits ausgezahlt: Marcel Ayasse, Karsten Blank und Sebastian Schwab, Zöglinge der Hockey AG am Stift, haben es in die Jugendnationalmannschaft oder Landeskader

geschafft.

Natürlich funktioniert der Sprung vom Schul- zum Leistungshockey nicht allein durch die einmalige Trainingseinheit am Freitag Mittag. „Ich unterstütze es sehr, wenn die Spieler in einen Verein eintreten,“ sagt Götz Stumpf. Diese Form der Talentsichtung folgt der Methode „Von-unten-nach-oben“: Die Schule stellt hierbei Möglichkeiten bereit, die Sportart kennen zu lernen und bietet den Talenten ein Sprungbrett in den Verein: „Wir haben hier sowohl ein Breiten- als auch ein Leistungsangebot. Schließlich ist Hockey Teil unseres Lehrplans“, sagt Rudolf Bleier, Rektor am Stiftsgymnasium.

Anders funktioniert die Talentunterstützung im Judo: „Wir bieten am Stiftsgymnasium keine Judo-AG an. Das Einstiegsalter, um im Judo noch erfolgreich zu werden, ist im Gymnasium zu spät,“ erklärt der Chefcoach der Judoabteilung im VfL Sindelfingen Jan Steiner. Vielmehr agieren die Judoka nach einer anderen Methode, nennen wir sie mal die Methode „Von-oben-nach-unten“. Steiner versucht, seine guten Kämpfer auf dem Stiftsgymnasium zu platzieren. „Das Stiftsgymnasium Sindelfingen ist eine Partnerschule des Olympiastützpunkt, es gibt keine Probleme bei der Freistellung von Athleten.“ Ausgefallener Unterricht kann nachgeholt werden. Rektor Rudolf Bleier unterstützt dies ausdrücklich: „mit ganzem Herzen,“ wie er sich ausdrückt. Und mit Erfolg: die Mädels vom Stift wurden in diesem Jahr Bundessieger bei „Jugend trainiert für Olympia“.

Seit 2004 gibt es am Stiftsgymnasium eine vom Olympiastützpunkt Stuttgart unterstützte Leichtathletik AG. Es handelt sich hierbei um eine eine breitangelegte, sportartübergreifende Grundlagenausbildung. Die Vielseitigkeit der Trainingsinhalte soll dazu beitragen, elementare sportmotorische Fähigkeiten, Motivation, Leistungswille und die Leistungsbereitschaft zu fördern. Angeleitet wird diese AG von der ehemaligen Olympiateilnehmerin und deutschen Hürdenmeisterin Birgit Hamann. Talente sollen hier erkannt werden und erhalten im weiteren Verlauf ihrer Sportlerkarriere eine gezielte Förderung – wenn sie in einen Verein eintreten. Besonders profitiert haben von dieser sportartübergreifenden Ausbildung vor allem die Hockeyspieler des Gymnasiums. Hans Niethammer, Lehrer am Stiftsgymnasium und nebenbei noch Landestrainer bei den Leichtathleten, unterstützt die in der Leichtathletik erfolgreichen Schüler vom Stift.

Bei nur zwei bis drei Stunden Sport in der Woche ist der Schulsport, sowohl aus sportwissenschaftlicher, aber auch aus organisatorischer Sicht allein nicht in der Lage, die geforderten Aufgaben - Unterstützung und Anleitung zur Bewegung und gleichzeitige Betreuung ei-nes Pools von Spitzensportlern - zu bewältigen.

Der Schulsport ist auf die Partnerschaft mit den Vereinen und anderen, den Sport unterstützenden Trägern angewiesen. Weiteres Potential bietet in dieser Hinsicht die Ganztages-betreuung vor allem für die Vereine, wenn sie ihre Sportart, zum Beispiel als AG, etablieren wollen. Die Vereine bieten das Know-How, die Schulen die Basis. Es profitieren letzten Endes beide Seiten von dieser Symbiose.

Das Stiftsgymnasium Sindelfingen ist ein gutes Beispiel für die Verzahnung in Sachen Sport-förderung zwischen der Schule auf der einen Seite und den Vereinen beziehungsweise den Sport unterstützenden Trägern auf der anderen Seite. Hier wird sowohl der Breiten-, als auch der Leistungssport gefördert. Und auf dieser Basis schließlich auch noch erfolgreich der Spitzensport. Und das so ganz und gar ohne Zauberei.

Tilo Gold

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25. April 2024
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